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Date Posted: 11:06:19 04.01.2017
Author: Gustl
Subject: Hausnotruf

Hallo zusammen,

ich lese hier schon länger mit, habe auch schon ein
paar Mal Kleinigkeiten gepostet, allerdings noch nie
einen längeren Text...

Allerdings gehen mir seitdem ich hier mitlese ein paar
Dinge im Kopf rum, die ich gerne mal loswerden möchte,
vielleicht mag ja der ein oder andere seinen Senf dazu
geben.

Zunächst einmal ganz generell: rektales Fiebermessen
oder Zäpfchen waren bei uns zu Hause nie ein Thema -
zumindest spätestens als ich aus dem Kindergarten
heraus kam, bin ich damit nicht mehr in Kontakt
gekommen. Meine Eltern vertraten wohl die Meinung,
dass ich genausogut Tabletten oder Saft nehmen könne -
und Fieber wurde bei uns zu Hause in der Achselhöhle
gemessen. Zur zeitlichen Einordnung: Ich wurde Ende
der 70er geboren.

Schon früh interessierte ich mich für alles, was mit
Erster Hilfe und Gesundheit zu tun hat und so war es
nur eine Frage der Zeit, bis ich mit vielleicht 14
Jahren ins Rote Kreuz eintrat, später habe ich dann
parallel zur Schule die Ausbildung zum Rettunssani
gemacht. Darüber hinaus auch noch die Ausbilderscheine
des Roten Kreuzes in den Bereichen Erste Hilfe und
Sanitätsdienst (bis hin zu San C und Notfalltraining
Reanimation, wenn das jemandem was sagt).

Zu den Aufgaben unserer Rotkreuz-Bereitschaft gehörte
es, beim sogenannten "ärztlichen Notdienst" als Helfer
zu arbeiten - und so habe ich mir ab meinem 18
Geburtstag so manches Wochenende bei eben diesem
Bereitschaftsdienst um die Ohren geschlagen. Und das war auch die Zeit, wo ich zu
meiner Verwunderung wieder verstärkt mit Zäpfchen und
auch dem rektalen Fiebermessen in Kontakt kam. Die
folgenden Geschichten haben sich wirklich so
zugetragen und sind keine Erfindungen meiner
Phantasie. Aber der Reihe nach:

Schon auf der Rettungsdienstschule wurde uns Mitte der
90erjahre die rektale Messung noch als "Goldstandard"
gelehrt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass
uns vermittelt wurde, dass Ohrthermomter (zumindest
damals) sehr ungenau seien und bei den schwankenden
Aussentemperaturen in einem Rettungswagen sowie so
nicht in Frage kämen. Vom axilliaren Messen hielt der
Dozent nicht viel ("zu ungenau!"), gleiches galt für
die sublinguale Messung ("wenn der vorher was
getrunken hat oder eine verstopfte Nase hat etc.").
Wenn wir also eine Temperatur bräuchten, dann sollten
wir rektal messen - oder eben gar nicht.

Bei meinen ersten Diensten als Helfer beim "ärztlichen
Notdienst" nam mich eine recht rustikale ältere Ärztin
sozusagen an die Hand. Auch hier galt als Standard die
rektale Messung. - Die meisten Patienten waren
Jugendliche und Kinder und Grundsätzlich wurde bei
jedem Jugendlichen oder Kind bis 14 Jahren, das in die
Notfallambulanz kam, die rektale Temperatur gemessen,
es sei denn, es handelte sich um irgendetwas, bei dem man Fieber von vornherein ausschließen konnte. Bei älteren Jugendlichen oder Erwachsenen wurde entsprechend der Anordnung der Ärzte gemessen, wobei, wenn Fieber vorhanden war, in dem Anamnesebogen meistens das Kästchen mit "rektal"
angekreuzt wurde. Zu meiner Verwunderung gab es
allerdings so gut wie nie Diskussionen darum, sondern
ich musste bei "was-weis-ich-wie-vielen" Leuten die
rektale Temperatur messen. Bei kleinen Kindern fragte
ich immer, ob das nicht lieber die Mutter machen soll,
bei größeren habe ich auch gefragt, ob sie vielleicht
selbst messen wollen. Allerdings wollte der Großteil
nicht selbst messen, sondern die Temperatur gemessen
bekommen - und von Eltern habe ich zum Teil auch
Spüche à la "Sie werden doch dafür bezahlt" zu hören
bekommen. Es erscheint mir also, als wäre es in der
Zeit zwischen 1995 und 2001, in der ich dort jobbte,
noch relativ verbreitet gewesen, rektal zu messen,
bzw. sich rektal messen zu lassen - auch wenn das bei
uns zu Hause nicht der Fall war.

Auch kann ich mich an ein etwa 15- oder 16jähriges
Mädchen erinnern, das mit seinen beiden Elternteilen
mit einer ganz schön fiesen fiebrigen Bronchitis zu
uns in die Praxis kam. Nach diversen Untersuchung wie
Abhören, Zunge zeigen, der üblichen (rektalen)
Temperaturmessung und Erhebung von Puls und Blutdruck
wollte der diensthabende Arzt ein Rezept mit
Medikamenten ausstellen. Der Vater fragte dann, als
wäre es das normalste von der Welt, ob die Medikamente
für seine Tochter auch als Zäpfchen verschrieben
werden könnten. Als der Arzt nach dem "warum" fragte,
sagte der Vater, dass sie als Eltern eine gewisse
Kontrolle über die Medikamenteneinnahme hätten und es
ja ohnehin besser für den Magen sei. Das Mädchen hat
sich während der ganzen Zeit überhaupt nicht geäußert.

Ein paar Jahre später hatte ich dann mein Abitur in
der Tasche, aber jobbte weiterhin beim ärztlichen
Notdienst und auch beim sogenannten Hausnotrufdienst.
Der Hausnotrufdienst war eigentlich ein Hilfsdienst
für Senioren, die mittels Funksender hilfe rufen
konnten, wenn sie hingefallen oder sonstwie hilflos
waren. Dafür gab es ein Auto mit den ganzen Schlüsseln
der Wohnungen aber auch der (abgespeckten) Ausstattung
eines Rettungswagens. Darüber hinaus waren auch noch
ein paar freiverkäufliche Medikamente (Sportsalbe,
Kopfschmerztabletten etc.) in dem Wagen, die man nach
Rücksprache mit dem Hausarzt an die älteren Patienten
geben konnte. Eines Tages hatte ich Dienst - und mein
privates Handy klingelte. Dran war eine ehemalige
Schulkameradin von mir, die sich sehr krank anhörte.
Sie meinte sie hätte wohl hoch Fieber - und ob ich
sozusagen als "Fachmann" etwas wüsste, was sie dagegen
einnehmen könne. Da ich mit meinem Hausnotrufwagen
zufälligerweise gerade in der Nähe war, bot ich ihr
an, einmal kurz vorbei zu schauen. Sie war damals
vielleicht 19 oder 20, es war der Winter nachdem wir
Abi gemacht hatten - und sie wohnte noch bei ihren
Eltern, die aber, warum auch immer, nicht wissen
sollten, dass es ihr nicht gut geht. Naja, als ich mit
meinem Wagen bei der mir bekannten Adresse geparkt
hatte, hab ich sie übers Handy angerufen, damit sie
mich reinlässt. Sie sah wirklich sehr schlecht aus und
ich fragte sie dieses und jenes zu ihren Beschwerden,
zwar immer darauf hinweisend, dass sie ja wisse, dass
ich kein Arzt sei, aber sie wollte partout in der
Nacht nicht ins Krankenhaus. Auf die Frage, ob sie
denn schon Fieber gemessen hatte, antwortete sie mit
"nein" und dass sie kein Fieberthermomter gefunden
habe. Als ich ihr anbot meins aus dem Auto zu holen,
schien sie zunächst wenig begeistert, meinte dann
aber, dass es wohl besser sei zu messen und dass das
ja keine große Sache sei. Gesagt getan, als ich mit
meinem Hausnotrufköfferchen vom Auto kam, lag meine
ehemalige Klassenkameradin bereits bäuchlings auf dem
Bett und zog sich gerade die Hose herunter. Auf meinen
Hinweis, wir könnten doch auch unter der Achsel
messen, kam zu Antwort, dass sie es nicht anders
kennen würde, als so und dass ich schließlich Sani sei
und sowas bestimmt schon öfters gemacht hätte.
Offenkundig war auch hier die rektale Messung eine
ganz normale Sache. Nebenbei bemerkt habe ich sie dann
doch noch überreden müssen, in der Nacht noch in die
Klinik zu fahren, deutlich über 40°C waren wohl Argument
genug.

So gäbe es noch einiges zu Berichten, aber ich will
Euch ja nicht langweilen. Vielleicht hat jemand
ähnliches erlebt - oder vielleicht war auch bei Euch
noch in den 90ern rektales Fiebermessen und Zäpfchen
etwas ganz normales. Übrigens: Die Notdienstzentrale
befand sich nicht auf dem platten Land sondern im
unmittelbaren Einzugsgebiet einer Großstadt.

Liebe Grüße
Gustl

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