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Arbeitsmarkt Hartz IV - Mythen der Jahrhundertreform Von Sven Astheimer und Kerstin Schwenn DruckenVersendenSpeichernVorherige Seite Nutznießer: die früheren Sozialhilfeempfänger; Verlierer: Empfänger von Arbeitslosenhilfe 02. Januar 2010 Seit fünf Jahren lebt Deutschland mit Hartz IV. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die Fusion von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, mit der der Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit gewonnen werden sollte. Das große Sozialprojekt beherrschte von Anfang an die Schlagzeilen und polarisiert bis heute. Was hat die Reform gebracht? Wir prüfen fünf gängige Thesen. 1. Hartz IV ist eine Armutsfalle Mit dem Schlachtruf "Hartz IV ist Armut per Gesetz" machte die PDS, die Vorläuferin der Linkspartei, im Jahr 2004 Stimmung gegen die geplante Arbeitsmarktreform und ging damit in Wahlen erfolgreich auf Stimmenfang. Michael Sommer, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sprach gar von einem "Massenverelendungsprogramm". Mittlerweile haben sich die Linkspartei und die Gewerkschaften aber weitgehend von der Armutsthese distanziert. Und das aus gutem Grund: Die Arbeitsmarktreform Hartz IV ist nicht, wie einst von der rot-grünen Bundesregierung propagiert, ein kluges Einspar-, sondern ein riesiges Ausgabenprogramm geworden - trotz eines Rückgangs der Arbeitslosigkeit. Hatten Bund und Kommunen 2004 für Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammen noch rund 38 Milliarden Euro bezahlt, schwoll der Transferfluss nach der Zusammenlegung beider Leistungen auf rund 45 Milliarden Euro im Jahr an. Dazu muss die öffentliche Hand noch knapp 20 Milliarden Euro Grundsicherung jährlich für bedürftige Rentner oder Behinderte bezahlen, die nicht erwerbsfähig sind und daher weiterhin die klassische Sozialhilfe beziehen. Verträge für jede Lebenslage Sie suchen Dokumente für Ihren Rechtsalltag? Hier finden Sie über 4.000 rechtssichere und aktuelle Profi-Downloads. Hartz-IV-Kneipen, wie hier in Leipzig... Wichtigster Grund für die höheren Kosten ist die Ausweitung des Kreises der Transferbezieher. Ging mit der Sozialhilfe eine gewisse Stigmatisierung einher, ist der Gang zum Amt durch die Hartz-Reform für viele gesellschaftsfähig geworden. Diesen Effekt hatte man unterschätzt. Eine Zeitlang war es unter jungen Leuten sogar "in", sich die erste eigene Wohnung durch Hartz IV zahlen zu lassen. Sie zogen zu Hause aus, und so vermehrte sich die Zahl der Hartz-Haushalte ("Bedarfsgemeinschaften"). Die Regelung wurde daraufhin später geändert. Finanziell gab es Gewinner und Verlierer der Reform: Nutznießer waren die früheren Sozialhilfeempfänger, die nach dem Systemwechsel rund 100 Euro mehr bekamen an Arbeitslosengeld II, wie die neue Geldleistung heißt. Verlierer waren Empfänger von Arbeitslosenhilfe. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat errechnet, dass zwei Drittel von ihnen nach dem Übergang in Hartz IV Einbußen von durchschnittlich 240 Euro im Monat hinnehmen mussten. Als besonders dramatisch wurde empfunden, dass jemand selbst nach langjähriger Beschäftigung schon nach einem Jahr Erwerbslosigkeit den Anspruch auf die (höhere) Leistung der Arbeitslosenversicherung verliert und in Hartz IV fällt. Gerade dies war jedoch politisch gewollt, um die Anreize für eine Arbeitsaufnahme zu erhöhen. Inzwischen ist der harte Fall abgefedert durch zusätzliche Übergangsleistungen von bis zu 160 Euro je Monat sowie eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Erwerbslose von 50 Jahren an. Zum Thema IAB sieht Hartz-Reform positiv Fast jeder zehnte Bürger bekommt Stütze Länder lehnen Regierungspläne zu Jobcentern ab Langzeitarbeitslosen droht mehr Bürokratie Derzeit erhalten rund 6,5 Millionen Bürger Hartz-IV-Leistungen, in Spitzenzeiten waren es mehr als 7 Millionen. Seit 2006 ist die Zahl der Hilfeempfänger kontinuierlich gesunken. Das IAB nimmt an, dass dieser Rückgang nicht nur mit dem Aufschwung zu begründen sei. Es gebe Anzeichen dafür, dass mit der Einführung von Hartz IV strukturelle Arbeitslosigkeit abgebaut werden konnte. Denn bei einer etwa gleichbleibenden Zahl offener Stellen sei die Arbeitslosigkeit gesunken. 2. Hartz IV drangsaliert Bedürftige Die Reform stand unter dem Motto "Fordern und fördern". Dahinter steckt der Gedanke, dass die Gesellschaft (der Steuerzahler) von Langzeitarbeitslosen ein großes Engagement erwarten darf, diesen Zustand möglichst bald zu beenden. Wer Hartz IV beantragt, wird einem Bedürftigkeitstest unterzogen. Die Behörde - derzeit in der Regel eine Arbeitsgemeinschaft aus Kommune und Arbeitsagentur - prüft, welche Vermögenswerte vorhanden sind und gegebenenfalls aufgebraucht werden müssen. Ausgenommen davon ist das sogenannte Schonvermögen, etwa zur Altersvorsorge, ein Kraftfahrzeug bis zu einem Barwert von 7500 Euro oder eine kleine selbstgenutzte Immobilie. Wohnt der Antragsteller zur Miete, wird geprüft, ob die Wohnung angemessen ist. Dafür gibt es Richtlinien, die sich am lokalen Wohnungsmarkt orientieren. Ist die alte Wohnung zu groß oder zu teuer, kann die Behörde einen Umzug anordnen. Außerdem muss der Arbeitslose eine Eingliederungsvereinbarung unterschreiben. Dort werden mit dem Arbeitsvermittler Schritte zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt festgelegt. Verstößt der Hilfeempfänger gegen seine Pflichten oder lehnt er wiederholt Arbeitsangebote ab, kann ihm das Arbeitslosengeld II gekürzt oder sogar gestrichen werden. Diese Sanktionen wurden verschärft. Im ersten Halbjahr 2009 wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 360 000 Strafen verhängt, viele davon wegen Verletzung von Meldepflichten. Doch niemand ist der Behörde schutzlos ausgeliefert. Über die Sozialgerichte ist eine Welle an Verfahren hereingebrochen. Zwischen 2005 und Mitte 2009 sind rund 370 000 Hartz-Bescheide angefochten worden. 3. Kinder sind die Verlierer von Hartz IV ...finden sich auch im Westen, wie hier in Duisburg Fünf Jahre Hartz IV seien fünfmal traurige Weihnachten für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, moniert das Erwerbslosenforum Deutschland. Sie seien die eigentlichen Verlierer, weil sie oft überhaupt keine Weihnachten feiern könnten, da der Hartz-IV-Regelsatz keinen Spielraum für Geschenke biete. Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche wurden seit 2005 mehrfach angepasst. Seit Juli 2009 liegen sie für Kinder unter sieben Jahren bei 60 Prozent, für Kinder zwischen sieben und dreizehn Jahren bei 70 Prozent des Regelsatzes eines alleinstehenden Erwachsenen von 359 Euro, für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren bei 80 Prozent. Mit einer baldigen Änderung dieser Sätze ist aber zu rechnen: Das Bundesverfassungsgericht wird im neuen Jahr prüfen, ob die Begrenzung des Regelsatzes für Kinder verfassungswidrig ist. Der tatsächliche Bedarf des Kindes spielte nämlich bei der Festsetzung keine Rolle. Vielmehr orientierte sich der Gesetzgeber am Satz für Erwachsene und kürzte ihn auf eine "kindgerechte Höhe". Das Bundessozialgericht ist der Auffassung, dass die prozentuale Ableitung "nicht ausreichend begründet" ist. Die neue Bundesregierung will überdies Lehren aus der Erfahrung ziehen, dass Alleinerziehende mit Kindern besonders lange im Hartz -System verharren. Sie sollen beispielsweise künftig bessere Betreuungsangebote finden. 4. Hartz IV ist ein ostdeutsches Problem Deutschland entwickelt sich zum Teilzeitland. Ein Grund: der Strukturwandel weg von den Industriebranchen hin zu Dienstleistungen Im Osten Deutschlands ist die Zahl der (Langzeit-)Arbeitslosen aus historischen Gründen - dem Abbau der DDR-Wirtschaft nach der Vereinigung - vergleichsweise höher als im Westen, deshalb erscheint die Hartz-Problematik hier besonders schlimm. Überdies herrscht ein besonders hoher Kostendruck in den Städten und Gemeinden, den die Mitarbeiter in den Jobcentern, die komplizierte Detailregelungen im Einzelfall auslegen müssen, an die Antragsteller weitergeben. Deshalb wird über jeden Kleinbetrag verhandelt. In zahllosen Fällen endet der Zwist vor Gericht. In Thüringen stieg die Anzahl der Klagen an den Sozialgerichten 2008 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 25 Prozent. Der Erfurter Justizminister hat angekündigt, neue Sozialrichter einstellen zu wollen. In Sachsen-Anhalt stieg die Zahl der Klagen um 18, in Mecklenburg-Vorpommern um 17 Prozent, in Brandenburg um 15 und in Sachsen um 13 Prozent. Doch das Problem eint Ost und West: Auch in den westdeutschen Sozialgerichten reißt die Klageflut nicht ab. Allein in Niedersachsen stieg die Anzahl der Klagen um 11 Prozent im Vergleich zu 2007. Bundesweit wuchs die Zahl der Verfahren auf beinahe 370 000. In Berlin wurden beispielsweise allein bis Oktober schon 80 000 Klagen eingereicht. Die Erfolgsquote ist beachtlich, etwa die Hälfte der Kläger erzielt zumindest einen Teilerfolg. 5. Hartz IV gefährdet Vollzeitstellen Deutschland entwickelt sich zum Teilzeitland. Nach den Niederlanden weisen die Deutschen den höchsten Anteil an Teilzeitarbeit in Europa auf. Die Zahl dieser Arbeitsplätze wuchs zwischen 1998 und 2008 um rund 1,4 Millionen, während im gleichen Ausmaß Vollzeitangebote sanken. Großen Anteil an dieser Entwicklung haben die mehr als 6 Millionen geringfügigen Beschäftigungen, besser bekannt als Minijobs. Einen solchen übten zuletzt auch rund 770 000 Hartz-IV-Bezieher aus, die sich damit ihr Arbeitslosengeld II "aufstocken". Das Bundesverfassungsgericht wird prüfen, ob die Begrenzung des Regelsatzes für Kinder verfassungswidrig ist Dennoch bestreitet das Institut der Deutschen Wirtschaft, dass Hartz IV die Verdrängung von Vollzeitstellen fördere. Der Wandel der Erwerbsformen sei ein längerfristiges Phänomen, zu beobachten seit den neunziger Jahren. Ein Grund dafür sei der Strukturwandel in der deutschen Wirtschaft, weg von den Industriebranchen hin zu Dienstleistungen. Während im Produzierenden Gewerbe vor allem Männer in Normalarbeitsverhältnissen (38 Arbeitsstunden in der Woche, unbefristet angestellt) tätig sind, liegt der Frauenanteil in Dienstleistungsbranchen wesentlich höher. Dort sind viele "halbtags" angestellt. In Zahlen heißt das: Frauen besetzen drei Viertel aller Teilzeitstellen, aber nur ein Drittel aller Vollzeitarbeitsplätze. Schaut man sich die Entwicklung seit dem Start von Hartz IV an, fällt auf, dass während des Aufschwungs 2007 und 2008 eine halbe Million neuer Vollzeitstellen entstanden sind. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten stieg sogar um 800 000. Dagegen fiel der Anstieg der Minijobber mit 140 000 deutlich geringer aus. Für das IW sind die Zahlen Beleg dafür, dass Hartz IV keinen relevanten Einfluss auf die Entwicklung der Erwerbsformen hat. Das IAB resümiert nach fünf Jahren sogar: "Der Arbeitsmarkt hat profitiert." Text: F.A.Z. Bildmaterial: ddp, dpa http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~E3E4D273C7AD0466698810846437D5E76~ATpl~Ecommon~Scontent.html 02.01.2010, 15:16 | | 21 Kommentare Hartz IV Fünf Jahre Zoff Kaum eine Reform erregt die Gemüter wie Hartz IV – und das seit mittlerweile fünf Jahren. Während SPD-Fraktionsvize Heil die „Agenda 2010“ verteidigt, stellt ihr der Gewerkschaftsbund ein verheerendes Zeugnis aus. AP Der Gewerschaftsbund hält Hartz IV für eine Sackgasse Fünf Jahre nach Einführung der Hartz-IV-Reformen hält der stellvertretende SPD-Fraktionschef Hubertus Heil die damalige „Agenda 2010“ im Grundsatz für richtig. Die Reformen hätten die Sozialsysteme stabilisiert und die Arbeitslosigkeit bis zur Finanzkrise massiv gesenkt. Dagegen fällt die Bilanz des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) verheerend aus. ZUM THEMA Wohlfahrtsverband: Ruf nach mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger Geschenke: Unions-Politiker will Hartz-IV-Weihnachtsgeld Sozialstaat: Wohlfahrtsverband hält Hartz IV für gescheitert Jugendsprache: „Hartzen“ ist Jugendwort des JahresNach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind die Chancen der Arbeitsmarktreform noch längst nicht ausgeschöpft. So gebe es bei den Vermittlern in den Jobcentern noch Qualifizierungsbedarf, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt in Nürnberg. Die Hartz-IV-Reform war am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Regelsatz für Kinder falsch „Die Grundlinien waren richtig“, sagte der frühere SPD-Generalsekretär Heil der „Berliner Zeitung“ vom Samstag. „Das heißt nicht, dass jede einzelne Maßnahme richtig war.“ So sei der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder falsch bemessen und müsse geändert werden. Nach Ansicht von DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sind durch die Reform weder mehr Arbeitslose in Beschäftigung gekommen, noch seien sie besser betreut worden. „Das Plus bei der Erwerbstätigkeit lässt sich nicht auf Hartz IV zurückführen, sondern auf konjunkturelle Effekte“, sagte sie der Zeitung „Die Welt“. Schnell, billig, ineffektiv Die Hartz-Gesetze hätten mit ihren drastischen Zumutbarkeitsregeln „atypischen Beschäftigungsverhältnissen“ Tür und Tor geöffnet. Statt zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, seien Arbeitnehmer mit regulären Arbeitsstellen unter Druck gesetzt worden. „Auf individuelle Förderung, die auf nachhaltige Eingliederung in den Arbeitsmarkt setzt, warten Arbeitslose im Hartz-IV-System noch immer vergeblich“, sagte Buntenbach. Weiterhin dominiere die Philosophie von Schnell-und-Billig- Vermittlungen. Nach spätestens drei Monaten falle ein Viertel wieder zurück in Hartz IV. Alt räumte ein: „Wir haben noch immer zu wenige Kolleginnen und Kollegen, die als Fallmanager zertifiziert sind.“ In den Jobcentern brauche es sensible Mitarbeiter, „die die soziale Infrastruktur kennen, die mit schwierigen Lebenssituationen von Menschen umgehen können, denen es im besten Fall gelingt, mit ihnen ein Arbeitsbündnis abzuschließen“. In manchen Fällen sei die Integration in ein normales Arbeitsleben allerdings eine Herausforderung, meinte Alt: „Wir haben es auch mit Menschen zu tun, die seit vielen Jahren keinen Arbeitsplatz mehr hatten oder noch nie abhängig beschäftigt waren.“ Google AnzeigenNeue Krankenversicherung? Jetzt die Günstigste finden - Wir haben die Testsieger im Vergleich! INOVEXX.de/Krankenversicherungen Allerdings seien die Weichen gestellt, um die Betreuung von Langzeitarbeitslosen zu verbessern. So habe man sich in der Beratung und Vermittlung von Arbeitssuchenden bereits umgestellt. Alt: „Wir wollen die Talente der Menschen suchen und nicht ihre Defizite. Wir wollen nicht wissen, was fehlt, sondern worauf wir aufbauen können.“ uq/dpa Artikel bewerten zur Bestenliste » Leser-Kommentare (21) XY wohlüberlegt (02.01.2010 17:39) Die Agenturen sind Orte von Willkür Grausamkeit Wenn ich einen vorgeschriebenen Termin habe (z.B. Arbeit oder Fortbildung) und der selbe Sachbearbeiter mich gleichzeitig zur Agentur bestellt und mir auch noch sagt, dass dieser Termin in keinem Fall verlegt wird ... so lange ist die UMSETZUNG REINE WILLKÜR. Die "Amts-Schimmel" sind kaum noch als Menschen wahrnehmbar, sondern als Roboter gewollter Grausamkeit. KEIN EINZELFALL, KOMMT HÄUFIG VOR! http://www.focus.de/politik/deutschland/hartz-iv-fuenf-jahre-zoff_aid_467323.html |